“Griechenland war die Hölle”

Mit 20 Jahren ist Mohsen F. mit seiner Familie aus dem Iran geflohen. Er wurde als Flüchtling in Griechenland eingesperrt und schlug sich später auf der Straße durch. In Deutschland versucht er ein neues Leben zu beginnen.

“Wir sind mit gefälschten Pässen aus dem Iran in die Türkei geflohen, dann weiter nach Griechenland.” Elf Jahre sind vergangen seit der Flucht von Mohsen F. – seine Erinnerungen sind so lebendig als wäre es erst gestern gewesen: Der überstürzte Aufbruch aus dem Iran, die Angst an den Grenzen festgenommen und zurückgeschickt zu werden, die Schläge in den griechischen Gefängnissen. Wenn der heute 31-Jährige redet, schweift sein Blick in die Ferne. Er spricht sehr leise und ruhig von dem kleinen maroden Boot mit dem er, seine Mutter und sein jüngerer Bruder sowie andere Flüchtlinge den Grenzfluss Evros überquerten. Es war dunkel und kalt. Eng aneinander gekauert saßen alle im Boot. Dann kurz vor dem griechischen Ufer kenterten sie. Mit großer Mühe schwammen die Flüchtlinge ans Land, zitternd saßen sie am Ufer. “Im Wasser haben wir so ziemlich alles was wir bei uns trugen verloren – Papiere, Kontaktdaten, Telefonnummern. Alles war weg.”

Katastrophale Situation in Griechenland

Mit einer tonlosen Stimme beschreibt er die Zeit in Griechenland, als wäre alles jemand anderem passiert: “Das Leben von uns Flüchtlingen in Griechenland war die Hölle. Die Polizei geht derart unmenschlich mit den Flüchtlingen um, verprügelt Frauen, Männer, Kinder, Schwangere und steckt sie ins Gefängnis.” In Haft wurden die beiden Brüder von ihrer Mutter getrennt. Wochenlang waren sie eingesperrt und haben abgewartet ohne zu wissen was passieren wird, berichtet der junge Iraner weiter. “Als wir aus dem Gefängnis kamen, haben wir die ersten Monate auf der Straße verbracht. Wir haben an der Grenze zum Tod gelebt. Es war unfassbar schwer, weil sich keiner um uns gekümmert hat. Ich konnte nicht glauben, dass das Europa sein sollte”, sagt Mohsen immer noch fassungslos. Er schüttelt den Kopf, als könne er sich damit von seinen Erinnerungen befreien, und schaut mich das erste Mal direkt an. Seine Augen sind dunkelbraun, sein Blick traurig.
Bis heute hat sich an der Situation der Flüchtlinge in Griechenland nichts geändert. Die Migranten müssten unter “beschämenden und fürchterlichen” Bedingungen leben, so die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem Bericht des vergangenen Jahres. Zehntausende Migranten strömen jedes Jahr nach Griechenland. Sie kommen aus Afghanistan, Iran, Syrien und Afrika.

Mohsen F. droht die Todesstrafe

Mohsen F. ist ein unscheinbarer junger Mann, er hat einen alten grauen Pulli an und Jeans. Er will nicht auffallen. Weder in seinem Heimatland noch auf der Flucht wollte er die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Im Iran fand ein großer Teil seines Lebens im Verborgenen statt. Zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder konvertierte er zum Christentum. Auf Apostasie, dem Abfall vom Glauben, steht im Iran die Todesstrafe. Nur heimlich traf sich die christlich-protestantische Gruppe zu gemeinsamen Gottesdiensten und Predigten – immer mit der Angst entdeckt und verhaftet zu werden. Und dann der Schock: “Als ein Mitglied unserer Gemeinde festgenommen wurde, sind wir sofort geflüchtet. Wir dachten, wenn sie ihn haben, kann es nicht mehr lange dauern bis sie auch uns festnehmen”, erzählt Mohsen. Was mit dem Gemeindemitglied passiert ist, weiß er nicht. Er schaut auf den Boden und schweigt. Durch die Fensterscheibe dringen die ersten Sonnenstrahlen in diesem Frühling. Warm wird es trotzdem nicht.

Neuanfang in Deutschland

Über Umwege hat es ihn und seine Familie am Ende nach Deutschland verschlagen, nach Erlangen. Seit zwei Jahren hat er eine Aufenthalts-genehmigung, lernt Deutsch und will dann studieren. Sein Gesicht hellt sich für kurze Zeit auf: “Ich fühle mich sehr wohl hier, das Leben ist sehr viel einfacher. Aber der Iran ist mein Mutterland, das Land, in dem ich geboren wurde, in dem ich auch schöne Sachen erlebt habe – trotz allem.” Er schaut aus dem Fenster. Sehnsucht liegt in seiner Stimme, wenn er über den Iran spricht. Eine Rückkehr: undenkbar.